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Maibaum


Der Maibaum ist keine Erfindung der Neuzeit. Die Menschen sahen im Baum, zumindest in alten Kulturen, ein Gleichnis des Lebens und seiner Gesetze. Für sie war der Baum ein Spiegel, in dem sie sich selbst und die Welt wiedererkannten und fanden. Der Baum mit seinen ausgestreckten Ästen vor dem wechselnden Himmel, glich dem Menschen oder seinem Haus, er drang in die Geheimnisse der Tiefe und schwang seinen Wipfel in den Raum des Himmels. Was immer die Völker von ihren Göttern geglaubt haben: es verband sich mit dem Baum. Ob wir archaische Fruchtbarkeitsreligionen oder den griechischen Mythos lesen, ob wir in Höhlenbildern zarte symmetrische Baumbilder entziffern oder die Genesis Israels lesen: der Baum ist das Mächtige, Anfang und Ende zusammenfassende Gleichnis, dem der Mensch sein Heil und Verderben zuordnet. Bäume geben den Menschen die Luft zum Atmen, ihre Blätter und Früchte enthalten Heilkraft, und ohne das Holz stünde die kulturelle Entwicklung noch auf der untersten Stufe. Schon im 7. Jhr. vor Christus wußten das die Menschen, wie folgende Worte des chinesischen Ministers Kuan Chung beweisen: Planst du für ein Jahr, so säe Korn. Planst du für ein Jahrtausend, so pflanze Bäume.

 

 

Die Urahnen des Maibaums sind: Der Weltenbaum, der Menschenbaum, der Lebensbaum, der Glücksbaum. Über die Herkunft des Maibaums gibt es widersprüchliche Thesen. Aber bereits in der Antike finden sich Zeugnisse, die auf ihn verweisen. So wird er in der Orientalistik mit ägyptischen und indischen Fruchtbarkeitskulten in Verbindung gebracht. Ähnliche Symbole existieren auch auf Java.Beim Dionysos-Kult der alten Griechen wurde Dionysos nicht nur als Gott des Weines, sondern auch als Gott der Vegetation und besonders der Bäume verehrt. Die Römer weihten den Monat Mai der Göttin des Wachstums, der Fruchtbarkeit und des Gedeihens der Pflanzen. Sie hieß Maia und gab dem Monat ihren Namen. Maias Fest wurde am 1. Mai begangen. Es wurden ihr Opfer dargebracht, und Bäume wurden als Symbol ihrer Würde aufgestellt. Der Tanz um einen zentral aufgestellten großen Maibaum gehörte zur Maifeier.

Die Omaha- und Ceiba-Indianer hatten ein Ritual, das dem Maibaum-Brauch geradezu bis in Einzelheiten gleicht. Sie fällten einen Baumwollbaum, entlaubten ihn und trugen ihn dann zu ihrem Lager. Dort bemalten ihn zwei Männer, zwar nicht mit weiß-blauen Rauten, aber immerhin mit roten und schwarzen Ringen, die Tag und Nacht, Donner und Tod, aber auch Himmel (Maibaum der Indianer) und Erde symbolisierten und eine belebende Kraft ausstrahlten. Zum Abschluß wurde der heilige Baum, der Mutterbaum der Menschheit, in der Mitte des Lagers aufgestellt. Es fanden auf diesem Platz dann rituelle Tänze und Volksbelustigungen statt. Viele weitere bildliche wie verbale Zeugnisse für ein maibaumähnliches Fruchtbarkeitssymbol, die auf die Frühjahrs- und Sommerzeit verweisen, lassen sich in allen antiken Kulturen aufspüren, bedeutete doch das alljährliche Gedeihen der Feldfrüchte und des Viehs die unentbehrliche Existenzgrundlage für die Menschen dieser Zeit.

 

 

Die Kelten, die im Zeitraum von 1500 bis 700 v. Chr. den gesamten süddeutschen Raum, also auch bayerisches Gebiet, besiedelten, waren aus den baumarmen Steppen vor dem Ural nach Europa eingewandert und an weite, ungebrochene Horizonte gewöhnt. Hier im bayerischen Raum trafen sie auf riesige Urwälder, die sie als das Ende der Welt empfunden haben mochten. Sie verarbeiteten ihre Eindrücke in tiefgreifenden Baumkulten. Nach keltischen Vorstellungen begann zum Zeitpunkt des 1. Mais der Sommer, zudem des 1. Novembers der Winter. Die Bräuche, die an beiden Vorabenden galten, ähneln bis in Einzelheiten den Gepflogenheiten der heute bekannten Walpurgisnacht. Diese symbolisierte wie heute den vorübergehenden Einbruch des Chaotischen im naturhaften Wechsel zum Sommer - die bekannten Freinacht-Bräuche, wie wegschaffen von Gartentoren, Karren und Pflügen, haben darin ihren Ursprung. Der 1. Mai war der bedeutendste Kultfeiertag der Kelten. An diesem Tag wurden an einem Baum rituelle Blutopfer dargebracht. Nach dem Fund eines vergoldeten Bäumchens in der Keltenstadt Manching, das vor rund 2300 Jahren kultischen Zwecken diente und ein göttliches Symbol war, stellte der Journalist Rudolf Reiser Vermutungen dahingehend an, daß der Maibaum ursprünglich ein Opferbaum der Kelten war. Der Baum spielte in der vorchristlichen Mythologie eine überragende Rolle, sonst hätte man ihn, seine Blätter, Knospen und Blüten in Manching nicht so kunstvoll vergoldet. Wie Verduten des Malers Valentin Gappnig, die im Freisinger Diözesanmuseum ausgestellt sind, zeigen, hatten die Maibäume damals noch Äste und Büschel. Das eigentlich Aufsehenerregende am Manchinger Mini-Maibaum besteht für Reiser aber darin, daß kreisrunde Goldblechreste entdeckt wurden, Zeichen der Sonne also! Und es gibt Hinweise der Archäologen, daß um den Baum Bänder gelegt waren. Wem fällt da nicht sofort der Bändertanz und -schmuck von Heute ein? Traditionen, die Jahrtausende überdauerten! Was die Bräuche der Kelten betrifft, erzählt der Langer Hartl: "Beim alten Bauernhaus zum Langer waren auf der Altan, also dem Balkon, in ein paar Bretter, viereckige Löcher hinein geschnitten. Die waren genau über der Haustür. Ich fragte meinen Großvater, den alten Langer (1872-1958), ob da einmal Bienenvölker, also Impen, droben waren. Er sagte mir, das wäre noch ein sinnvoller Brauch der von den Kelten übernommen wurde. Den Hausleuten haben sie nichts getan, weil sie die schon am Geruch erkannten. Ist aber ein Fremder ins Haus eingedrungen, hat er ihnen schon gehört." Eine nützliche und billige Alarmanlage.

Nach dem Rückzug der Römer über die Alpen löste um die Zeitenwende in Mitteleuropa die germanische Kultur allmählich die keltische ab. Es gab dabei keinen einschneidenden Bruch in den religiösen Vorstellungen und Riten. Beide Völker waren indoeuropäisch. Die Naturverehrung blieb bestehen und damit auch der Baumkult, bei dem Bäume als heilig und segenbringend verehrt wurden. In jedem Baum wohnte nach germanischen Glauben eine Seele, die sein Wachstum und seine Fruchtbarkeit beeinflußte. Der Baum begleitete den Germanen von seiner Geburt bis zum Tod. Es versteht sich fast von selbst, daß Germanen einen Baum nicht ohne zwingende Gründe fällten. Natürlich galt auch bei den Germanen der 1. Mai als besonderer Feiertag. An diesem Tag so glaubte man, vermähle sich die mütterliche Freia mit dem Himmelsgott Wotan. Der Baum, der anläßlich dieses Festaktes aufgestellt wurde, ein junger grüner Birken- oder Buchenstamm, sollte die Fruchtbarkeit der Felder und der Dorfgemeinschaft positiv beeinflussen. Als Europa christianisiert wurde, versuchte man die Natur zu entseelen. Nichts war mehr heilig, außer Gott. Jedoch ließen sich die heidnischen Mythen nicht völlig ausrotten. Zum Teil lebten sie im Wissen des Volkes und seinen Bräuchen weiter, zum Teil wurden sie später in den christlichen Glauben notgedrungen aufgenommen, wobei der Sühneopfergedanke der heidnischen Zeit verdrängt wurde. Dies geschah sowohl mit dem ursprünglich heidnischen Christbaum als auch mit dem Richtbaum und nicht zuletzt mit dem Maibaum.

 

 

Der eigentliche Maibaum-Brauch ist erst ab dem 13. Jhr. belegbar, als er sich zum Sinnbild der Zuversicht und Hoffnung auf eine glückbringende, fruchtbare Frühjahrs- und Sommerzeit entwickelte. Immer mehr wurde der Brauch gepflegt, sich einen heiligen Baum in die Dorfgemeinschaft zu holen, da er dort gleichsam aus nächster Nähe seine segenbringende Wirkung auf Menschen, Vieh, Felder und Gehöfte ausüben konnte. Als geeigneter Termin dafür sah man den 1. Mai an, an dem die Natur ihr erstes Grün zeigte oder zumindest vorweisen sollte. Ein Zeitpunkt, der überdies von alters her als Scheide zwischen der todbringenden kalten und der lebensspendenden warmen Jahreszeit an gesehen wurde. Dann wurde der Brauch, wie so viele andere auch, von der Kirche verboten und verfolgt. Doch dessen zum Trotz, begeisterte der Maibaumbrauch zunehmend die Bevölkerung des 13./14. Jhrs. Im 15. Jhr. festigte sich zu sehens der Brauch des Maiensteckens. Die nicht allzu hohen Bäume wurden im Wald geschlagen, sie wurden nicht bemalt, sondern blieben naturbelassen und erhielten bunten Bänderschmuck. Die Burschen steckten sie dann vor das Haus ihres Mädls. Größere, entrindete Baumstangen fanden als zentral errichtete Maibäume Verwendung. Auch sogenannte Wirtsmaibäume existierten bereits. Im 16. und noch im 17. Jhr. gab es im bayerischen Oberland für das "Gesindel", das aus dem Wald unerlaubterweise einen kleinen Baum für das Maifest entwendete, Prügel und Geldstrafen. Da jeder Bursche seinem Dirndl einen Maien stecken wollte, nahm der Raubbau am Wald in der Tat beängstigende Dimensionen an. Welcher Waldbesitzer hätte sich da nicht zur Wehr gesetzt, zumal er ja meist Schützenhilfe von Seiten der Kirche bekam? Aber gerade in Ober- und Niederbayern fruchteten alle diese Verordnungen und Strafandrohungen nichts. Im Gegenteil, es reizte noch mehr, einen Baum zu stehlen und zu setzen. Durch diese Verbote wurden die erfolgreichen Burschen zu wahren Helden, und sicher stiegen sie dadurch auch in der Gunst ihrer Angebeteten. Man durfte sich eben nicht erwischen lassen, so hieß die Devise. Als 1590 in einer kurpfälzischen Landesordnung einmal mehr das Maibaumaufstellen untersagt wurde, blieb dem Verbot wiederum der Erfolg versagt.

 

 

Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wurden nach einem soldatischen Brauch Maibäume regelmäßig am 1. Mai aufgestellt. Dies taten die Soldaten zu Ehren der Offiziere, Fürsten, hoher Ratsherren und angesehener Bürger. Anläßlich der Errichtung eines solchen Ehrenbaumes erhielten sie nämlich reichlich Maibier und auch andere Vergünstigungen zugesprochen. Dies führte dazu, daß auch bei den anderen Bürgern der Maibaum wieder stärker ins Bewußtsein geriet und zunehmend akzeptiert wurde, nicht so von der Kirche. Aus dem Jahr 1669 ist ein Gerichtsurteil bekannt, das sich mit einem Schadensfall befaßt, der durch einen Maibaum verursacht wurde. In Rottach am Tegernsee wurde ein Maibaum gefällt, der auf das Haus eines gewissen Öttl fiel und am Dach einen erheblichen Schaden verursachte. Darüber kam es zum Streit, wobei einer der Kontrahenten handgreiflich wurde und dem anderen mit einem glühenden Eisen auf den Kopf schlug. Der Bader wurde gerufen und mußte Erste Hilfe leisten. Der Prozeß endete mit einem Vergleich.

 

 

Einen neuen Einschnitt im Maibaum-Brauchtum stellt das 18. Jhr. dar. Nun traten erstmals die sogenannten Figurenmaibäume in Erscheinung, also Maibäume, die mit handwerklichen Zunftzeichen oder mit religiösen, aber auch patriotischen Emblemen geschmückt waren. Aber auch im 18. Jhr. kritisierte und bekämpfte die Obrigkeit nach wie vor das Maibaum-Brauchtum. 1760 wurde in Altbayern gefordert: "Dem zwar uralten, aber zu nichts als zur bloßen Bürger- und Bauernlust dienenden Brauch des Maibaumschlagens soll Einhalt geboten werden. Ab dem Jahr 1808 wurden den Gemeinden die Selbstverwaltung zuerkannt, die von eigenen Bürgermeistern getragen wurde. Daraus erwuchs rasch der Wille, auch das Gemeindeleben selbst in die Hand zu nehmen und zu gestalten. Man dispensierte dabei viele Verbote aus der Aufklärungszeit und sah im Maibaum schon bald auch ein Zeichen nationalbayerischen Selbstbewußtseins. Solche Einstellung wurde nur zu gern von der Monarchie unterstützt. Gerade König Ludwig I. und König Max II. waren den alten Volksbräuchen gegenüber sehr aufgeschlossen. Ludwig I. fehlte beim Maibaumaufstellen in der Menterschwaige höchst selten. Der Nationalstolz kam natürlich auch in der Höhe der Bäume zum Ausdruck. In der "Bavaria Landes- und Volkskunde" des Königreichs Bayern um 1860 wird der Maibaumbrauch gelobt, indem "durch das ganze oberbayerische Land ein ehrlich Dorf viel auf einen schönen Maybaum" hält. Herausgehoben werden dessen "wesentliche, unerläßliche Bestandteile; so der Maybüschel, der grüne Tannenwipfel hoch oben, der erinnern sollte, daß wir hier nicht vor einer todten Stange stehen sondern vor einem lebenden Baum aus dem ... Wald." Schon damals wurden übrigens die oft reich verzierten Bäume nicht jedes Jahr, sondern "alle drei bis fünf Jahre erneuert." Auch die Kirche konnte und wollte nun nicht mehr zurückstehen. Sie trat die Flucht nach vorn an und vereinnamte den Maibaum als österliches Symbol der Erlösung und Auferstehung. (Daher auch der Hahn auf der Spitze bei manchen Maibäumen). Die braunen Verbrecher mißbrauchten den Maibaum dann für ihren Blut- und Bodenwahnsinn.

 

 

Wahrscheinlich gab es auch in Kreuth schon früher einen Maibaum. Aber im Protokollbuch der Leonhardstoana findet sich erst im Jahr 1949 ein Eintrag über das Aufstellen eines Maibaums. (Das war übrigens der schönste Baum aus dem Wald vom Böckl; dieser hatte zuerst eine narrische Wut, ließ sich aber dann vom 1. Vorstand Winkler beruhigen und als kleines Trostpflaster wurde er Beitragsfrei gestellt. Ab Mitte der 60er Jahre zahlte er dann wieder, auf eigenes Verlangen, seinen Vereinsbeitrag.) Was das Maibaumaufstellen selbst angeht, war der Zimmerermeister Hans Edbauer (1926-1990) ganz große Klasse. Wochen zuvor hatte er schon seine Opfer im Auge und wurden mit dem Meterstab gemessen. Daß der Baum gestohlen sein mußte, war selbstverständlich. Geschlagen wurde er kurz vor der Morgendämmerung, mit einem alten VW-Kübelwagen an Ort und Stelle gebracht, entrindet und dann aufgeputzt; natürlich auch bewacht und das mit der Böllerkanone. Die Scharlinger Burschen können ein Lied davon singen. Bis zum Jahr 1987 war der Standplatz des Baums neben der Riedler Brücke, direkt an der Weißach. Nach Fertigstellung der Kurverwaltung und des Dorfplatzes wurde der neue Maibaum am 1. Mai 1988 an seinem heutigen Standort aufgerichtet.

 

 

Quelle: Der Maibaum von Hans Meinl - Alfons Schweiggert
Protokollbuch der Leonhardstoana
Bildquelle:
Archiv Alfons Schweiggert, München
Archiv Alfons Schweiggert, München
Archiv Alfons Schweiggert, München
Galerie Philographikon Rainer Rauhhut, München
Archiv Alfons Schweiggert, München
Winkler Judith, Kreuth